Vor’m Wort Die Fotografie gilt als naturgetreues Abbild von Zeitgeschehen. Im Gegensatz zu virtuell erzeugten Bildern hat sie das Prädikat der wahrheitsgemäßen Wiedergabe der Realität. So hat ein Passfoto imAusweis den autoritären Anspruch, die Identität einer Person zu repräsentieren. Kein anderes Bildmedium, weder Portraitzeichnung noch ein in 3DnachgestelltesMaskenbildwäredazuinderLage.Esliegt an einer bestimmten Charaktereigenschaft der Fotografie, dass diesen unerschütterlichen Wahrheitsanspruch hegt: Die Endgültigkeit. Die Fotografie ist eine Koinzidenz aus Raum, Zeit und Wille. Räumliche Konstellationen, Objekte, Figuren, werden durch den Auslösewillen des Fotografen zu einem bestimmten Zeitpunkt als Lichtabdruck auf ein Medium gebannt. Das Medium, sei es Negativfilm, Papierabzug oder eine digitale Datei, gilt als Dokument mit einem bestimmten Zeitstempel. Die Endgültigkeit begründet sich im alternativlosen Zeitpunkt und der ebenso alternativlosen Perspektive einer Aufzeichnung, d.h. dass man niemals zweimal das gleiche Bild erzeugen kann. Unsere Vorstellung von Fotografie als dokumentarisches Medium lässt kaum Zweifel am Wahrheitsgehalt aufkommen. Die Fotografie ergänzt sogar scheinbar unsere begrenzte Wahrnehmungsfähigkeit. Sie füllt Wahrheitslücken auf, bringt Details zu Tage, die man selbst als Urheber der Fotografien erst bei der Revision der Bilder erkennt. Die Fotografie beinhaltet also mehr Wahrheit als unsere Wahrnehmung ermessen kann. Darin liegt jedoch ein Konfliktpotenzial, denn die fotografische Überrealität kann sich schnell über unsere ursprüngliche Wahrnehmung stellen. Es gibt Tendenzen, Fotografien in Leuchtkraft, Kontrast und Farbsättigung so zu bearbeiten, dass unsere natürliche Wahrnehmung dagegen blass und farblos erscheint. Es gibt kaum ein Magazin, das Bilder unbearbeitet publiziert. Auch für uns ist es obligatorisch, die Rohdaten aus der Kamera für die Druckanwendung zu optimieren und gegebenenfalls Ausleuchtungsschwächen oder Farbverschiebungen zu korrigieren. Die besondere Schwierigkeit liegt in der Gratwanderung zu entscheiden, wie viel Nachbearbeitung der Fotografie zuträglich ist. Ein Standard bei heutigen Bildpublikationen ist die Anwendung der so genannten HDR Technik (High Dynamic Range). Der hohe Dynamikumfang erzeugt ein Hochkontrastbild, in dem z.B. im Schattenbereich die gleichen Kontraste herrschen wie in den ausgeleuchteten Partien. Oder überbelichtete Flächen wie diffuse Wolkenhimmel erhalten die Kontraste eines bedrohlichen Gewitterhimmels. HDR Bilder erfreuen sich großer Beliebtheit, weil sie auf spektakuläre Weise unsere Wahrnehmungslust nach dem Nicht-Wahrnehmbaren wecken. Unser Verstand akzeptiert die Unzulänglichkeit unserer visuellen Wahrnehmungsfähigkeit und gibt sich einer maschinellen Wahrnehmung hin. Es ist vergleichbar mit der Faszination von Zeitlupen- oder Zeitrafferaufnahmen bei Filmen, unsere Augen wären niemals im Stande, uns solche Bilder zu liefern. Was unser Verständnis der Fotografie anbelangt, wir sind keine ausgesprochenen Freunde der HDR Technik. In der Vergangenheit hatten wir für HDR den Spitznamen „Highlight degenerierte Realität“ geprägt. Unsere Auffassung der Fotografie respektiert die natürlichen Grenzen unserer Wahrnehmung und auch die der naturwissenschaftlichen Gesetze der Belichtung. Wir lieben eben auch die Schattenseiten. Euer Hoshi Yoshida Joris B. Drakensberg, ZA World Cup shuttle. Pietermaritzburg, ZA
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